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01.07.2020 Kategorie: Gemeinde

Erste Hilfe für die Seele

Notfallseelsorge ist „Hilfe für die Seele“ in einer Situation, in der für die Menschen nichts mehr so ist, wie vorher.

Ich bin Hannelore Seeleke und seit sechs Jahren ehrenamtliche Notfallseelsorgerin im Kirchenkreis Wolfsburg-Wittingen. Eine vielleicht nicht alltägliche, aber dankbare Aufgabe. Auf der Suche nach einem erfüllenden Ausgleich zum beruflichen Alltag wurde ich auf die Notfallseelsorge aufmerksam. Meine Ausbildung zur ehrenamtlichen Notfallseelsorgerin absolvierte ich über einen Zeitraum von 18 Monaten im Haus Ohrbeck unweit von Osnabrück und wurde im November 2013 in das System der Notfallseelsorge in Wolfsburg übernommen. 

Meine Arbeit unterscheidet sich nicht von der meiner ca. 18 hauptamtlichen Kolleg*innen. Es gibt einen Dienstplan und bei einer Alarmierung durch die Leitstelle der Feuerwehr übernimmt der Diensthabende den Einsatz. Da die Wolfsburger Leitstelle mit der Leitstelle des Landkreises Helmstedt zusammenarbeitet, werden wir auch zu Einsätzen im Helmstedter Raum gerufen. Damit verbunden ist dann eine längere Anfahrt – natürlich auch nachts –, aber für die Menschen ist es wichtig, dass wir ihnen zur Seite stehen. Es sind hauptsächlich häusliche Todesfälle, Suizide und – gemeinsam mit der Polizei –, das Überbringen von Todesnachrichten, z.B. nach Verkehrsunfällen, aber auch die Betreuung, Begleitung und Unterstützung bei häuslicher Gewalt, Ersthelfern und Augenzeugen, Evakuierung bei Wohnungsbränden, Großschadenslagen (z.B. Busunfall) und Krisensituationen an Schulen.

Die Betroffenen vor Ort sind meist mit dem Geschehen überfordert. „Ich bin für Sie da, ich habe Zeit“ – diese Worte an der Tür stehen am Anfang der Betreuung. Als Zeichen der Würde bitte ich darum, den Verstorbenen zu sehen. Ich zünde eine Kerze an und spreche anschließend mit den Angehörigen in einem „geschützten Raum“, ohne Blickkontakt zum Toten. Über die Frage „Was ist denn passiert?“ erfahre ich sehr viel zum Geschehen und im weiteren Verlauf auch sehr viel aus dem Leben des Verstorbenen und vieles mehr. Ich frage nach Bedürfnissen und bringe somit etwas Normalität in die Situation. Es ist mir wichtig, dass die Betroffenen die Angehörigen selbst anrufen und bewusst den Tod aussprechen. Auch das Gespräch mit dem Bestatter bitte ich die Angehörigen, selbst zu führen. Ich lade die Anwesenden zu einer gemeinsamen Abschiednahme mit dem Vaterunser und einem Segen ein. Wenn der Bestatter die Wohnung verlassen hat, frage ich noch „Kann ich aktuell noch etwas für Sie tun?“ und mit „Ich wünsche Ihnen viel Kraft“ beende ich meinen Einsatz.

Ich erlebe was „Erste Hilfe für die Seele“ für Menschen in Not bedeutet. Wir Notfallseelsorger bleiben, wenn andere wieder gehen müssen, der Notarzt, die Rettungskräfte. Wir halten die Trauer und die so unterschiedlichen Reaktionen aus. Wir geben den Betroffenen die Zeit, die sie brauchen, und versuchen, ihre Fragen zu beantworten. Aber leider können auch wir die Frage nach dem „Warum?“ nicht beantworten. Unsere Anwesenheit erleben die Angehörigen dankbar, weil gerade in diesem schweren Moment jemand da ist, der ihnen zuhört, ihre Betroffenheit mitträgt und Zeit hat.
Auch als ehrenamtliche Notfallseelsorgerin bin ich zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Beitrag von Hannelore Seeleke