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01.12.2020 Kategorie: Gemeinde

Leben geht immer vorwärts

Vielleicht geht es Ihnen wie mir: Dieses ganze Auf und Ab, Hin und Her der angeordneten oder empfohlenen Maßnahmen nervt mich. Macht mich mürbe. Seglerin müsste ich sein; dann hätte ich gelernt, was es braucht, um mit wechselnden Winden und Wellengang zurecht zu kommen. Bin ich aber nicht. 

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem älteren Ehepaar: Nahezu unvermeidbares Thema ist natürlich das Leben mit Corona. „Was wollt ihr eigentlich?“, fragt sie. „Worüber regt ihr euch so auf? Wir hatten im Krieg über ein Jahr keine Schule. Ja, das macht es nicht besser, denn schlimmer geht immer.“ Aber es rückt zumindest manche unserer Befürchtungen in ein anderes Licht. Und dann fällt mir die Geschichte meiner Mutter ein. Kindheit im Krieg. In Hannover. Immer gewärtig sein müssen, dass nachts die Sirenen angehen und dann das Rennen zum Luftschutzbunker mit den wichtigsten Habseligkeiten, halt soviel, wie in einen Kinderwagen als Transportmittel passt. Über ihnen die Tannenbäume am Himmel. Die Älteren werden den Ausdruck noch kennen. Ja, das war ein ganz besonderes Weihnachten, das ihnen da mitten im Jahr beschert wurde. Wird noch Platz im Bunker sein? Dann das Sitzen im Dunkeln, eng zusammengepfercht. Angst, wo gehen diesmal die Bomben runter? Könnte es auch uns treffen? Nein, den Bunker hat es nicht getroffen, aber einmal dann doch das Haus, wo sie gewohnt haben. Ausgebombt. Nichts mehr da. Also mit dem Kinderwagen weitergezogen zu Verwandten aufs Land. Irgendwas geht immer.

Irgendwas geht immer. Was haben Menschen nicht schon alles überstanden. Und nicht nur so gerade eben, sondern sind viele Male stärker und wissender daraus hervorgegangen. „Wir sind zäh“, sagt mein Mann. Wie eine Katze mit sieben Leben. Überhaupt: Leben. Meine Revierförsterin fällt mir ein. Sie hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass alles Lebendige so ist. So zäh und Wege suchend und findend und wenn keine da sind, dann selber Teil des neuen Weges werdend.

Das mit dem Neuwerden der Wege und von uns selber geht nicht von heute auf morgen. Aber einmal geschah es doch: das Leben schaffte den Sprung aus dem Wasser an Land. Und vom Erdboden in die Luft. Ihr kriegt euer altes Leben zurück, verheißen uns manche. Stimmt nicht. Leben geht immer vorwärts, lerne ich. Wer weiß, was aus uns noch alles werden kann. Denn wir sind es doch auch: Das Leben, das Wege findet und Wege schafft. 

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und Gottes Segen für ein neues, hoffentlich pandemiefreies Jahr 2021. Bleiben Sie tapfer und behütet.

Ihre und Eure 
Pfarrerin Silvia Koch-Barche

Beitrag von Pfarrerin Silvia Koch-Barche