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21.02.2021 Kategorie: Gemeinde

Die Helden sind Müde

Das Wort zum Sonntag, 14.02.2021

Die Helden sind müde – und wir andern sind es auch. Müde der Einschränkungen, müde eines Lebens, dessen Rhythmus von Corona-Gipfeln bestimmt wird. Nach dem einen Gipfeltreffen ist vor dem nächsten. Müde eines Lebens, das sich im Warte-Modus befindet. Morgen Kinder, wird’s was geben! – Ja, was denn? Dritte, vierte, fünfte Welle? – Herabsetzung der magischen Inzidenzzahl 50 (wenn wir die erreichen, wird alles gut!) auf 35. Impfstoff. Sein Erscheinen wie das Erscheinen des Messias bejubelt- Erleichterung – Lichtstreif am Horizont- muss ich erzählen, wie ernüchternd diese Geschichte weitergeht? Nein, Sie wissen es selber. Seit einigen Tagen geht mir ein Lied der Gruppe „Wir sind Helden“ nicht mehr aus dem Kopf. „Von hier an blind“ heißt es. Der Refrain geht so:

˃Ich weiß nicht weiter, war ich noch nie, ich weiß nicht weiter, ich weiß nicht, wo wir sind. Ich weiß nicht weiter, von hier an sind wir blind. ˂ Genau so fühle ich mich. Die optimistischen Phrasen gehen mir aus, die Angstmacherei von Virologen und Politikern läßt mich zunehmend ratloser und wütender werden, aber die Corona-Gefahrenleugner sind auch nicht die Lösung.

Ich weiß nicht weiter, hier war ich noch nie, von hier an blind. Ein modernes Klagelied.

Klagen ist etwas anderes als Jammern. Wer klagt, sagt, so ist etwas. Gesteht ein, wo er steht, wie es um einen steht. Was alles nicht mehr geht. Zum Klagen gehört Mut. Anders als beim Jammern, das oft schon anfängt, bevor es überhaupt anstrengend wurde und sich nur selbst bemitleidet.

Und weil das so ist, passiert etwas ganz Merkwürdiges beim Klagen. Ich habe mir das Lied „Von hier an blind“ noch mal ganz genau angehört. Und mitten drin in diesen Beschreibungen, dessen was nicht mehr geht, gibt es diese Strophe: ˃Und keine tausend Meter draußen vor dem Tor erklang ein Brausen und es sang ein Männerchor. Dann war Stille und dazwischen und davor setzte die Pause neue Flausen in mein Ohr.˂ Im Refrain danach geht die Klage weiter. Aber dazwischen, darinnen ist etwas geschehen. Neue Flausen, neue Gedanken. Das wünsche ich uns auch in diesen ermüdenden Zeiten: neue Flausen im Ohr. Bleiben Sie behütet.

Beitrag von Silvia Koch-Barche, Pfarrerin